Das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt – und der Mittelstand mit seinen zunehmenden Unternehmensnachfolge-Problemen: Beim ius-Round-Table von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten standen gleich zwei brisante Themen auf der Agenda. Von Bianca Menzel

ius-Round Table

Oliver Nothelfer, CEO Südwestmedia Network GmbH, und Moderator Heimo Fischer (hinten von links) mit den Rechtsexperten Christian Raiser, Dr. Alexander Sommer, Ann-Kathrin Schreiner und Dr. Ulf Bohn (vorn von links). Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Hass im Netz: Bei Instagram, Twitter & Co. sind Beleidigungen, ja sogar Morddrohungen, keine Seltenheit mehr. Egal, ob es dabei gegen Privatpersonen oder gegen Personen des öffentlichen Lebens geht. Wie kann man sich gegen eine anonyme Masse im Netz wehren? Wie sie zur Rechenschaft ziehen?

Die Ampelregierung hat dazu ein „Gesetz gegen digitale Gewalt“ angekündigt. Dabei sollen die rechtlichen Möglichkeiten von Privatpersonen verbessert werden, um einfacher gegen Verletzungen ihrer Rechte im digitalen Raum vorzugehen. Warum braucht es dieses Gesetz, will Moderator Heimo Fischer von den Rechtsexperten beim ius-Round-Table der Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten im Pressehaus Stuttgart wissen.

Betroffene haben bereits heute entsprechende Rechtsansprüche wie beispielsweise das Einfordern von Schmerzensgeld. „Doch wer ist der Anspruchsgegner?“, fragt Ann-Kathrin Schreiner von der Kanzlei Kuhn Carl Norden Baum. Das Problem sei, den Schadensanspruch auch durchzusetzen. „Wir sprechen meist von einem Gegner, der sich hinter einem anonymen Namen versteckt.“ Das neue Gesetz solle den Auskunftsanspruch vereinfachen.

„Grundsätzlich ist der digitale Raum rechtlich schwer greifbar“

„Und das ist bislang schwierig. Eine Anzeige gegen Unbekannt wird meistens wieder eingestellt“, ergänzt Dr. Alexander Sommer von der Kanzlei Kullen Müller Zinser (KMZ). „Die Auskunft über beispielsweise die IP-Adresse ist außerdem missbrauchsanfällig, die lässt sich anonymisieren“, ergänzt Schreiner.

Eine weitere Hürde: „Grundsätzlich ist der digitale Raum rechtlich schwer greifbar. Ein Gesetz alleine wird da nicht weiterhelfen. Aber die Hemmschwelle durch die Folgen wie IP-Adressenauskunft oder Account-Sperrungen wird sicherlich höher“, betont Christian Raiser von Thümmel, Schütze & Partner (TSP). Der rechtsfreie Raum müsse stückweise in den Griff bekommen werden, wozu das geplante Gesetz sicherlich beitragen könne.

Ein grundsätzliches Problem sieht Dr. Ulf Bohn von der Kanzlei Burger, Rosenbauer, Beier in der Begrifflichkeit: „Gewalt ist ein großer Begriff und die Bezeichnung ‚digitale Gewalt’ birgt die Gefahr, dass das Wort zu weit oder zu eng gefasst wird. Mit Gewalt verbindet man grundsätzlich körperliche Schäden. Ist eine Restaurantkritik Gewalt?

190.000 Unternehmen in Deutschland brauchen bis 2026 eine neue Firmenleitung

Hier gibt es noch keine konkrete Verfassung.“ Am Ende sind sich die Rechtsexperten einig: Die Idee hinter dem geplanten Gesetz ist gut, auf die Umsetzung kommt es jetzt an. Schließlich müsse auch der Staat entsprechendes Personal bereitstellen und die Landgerichte seien momentan schlichtweg unterbesetzt.

Für den zweiten Teil des Diskussionsrunde rückt Heimo Fischer den Mittelstand in den Fokus: Laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) benötigen 190.000 Unternehmen in Deutschland bis zum Jahr 2026 eine neue Firmenleitung, weil die Eigentümer aufgrund von Alter oder Krankheit aus der Geschäftsführung ausscheiden. Das Problem, diese Erfahrungswerte können die Rechtsexperten teilen, ist, dass der Zeitpunkt für eine Unternehmensübergabe entscheidend ist, aber oftmals von den Inhabern verpasst wird.

„Man muss sich frühzeitig die Fragen stellen: Sollen meine Kinder in die Unternehmensführung einsteigen oder soll ein externer Geschäftsführer übernehmen? Je früher man die Übergangsphase einleitet, desto besser“, betont Sommer.

ius-Round Table: Keine Patentlösung für die Unternehmensübergabe

Doch was bedeutet „frühzeitig“, wann ist der richtige Zeitpunkt, hakt Heimo Fischer nach. „Hier gibt es keine Patentlösung. Für jeden Lebensabschnitt kann die Lösung eine andere sein. Deswegen ist es sinnvoll, eine Regelung für den aktuellen Zeitpunkt zu treffen und zu planen und dann immer am Ball zu bleiben und vor allem keine einsamen Entscheidungen zu treffen. Darüber sprechen, mit seiner Familie, mit Geschäftspartnern, ist wichtig“, weiß Bohn.

„Man sollte bereits mit 50 einen Notfallplan haben, schließlich kann auch Unvorhergesehenes passieren. Wer bis 90 wartet, der ist definitiv zu spät dran“, ergänzt Raiser. Bei der Unternehmensnachfolge gibt es zum Schluss einen deutlichen Konsens: „Eine trockene Rechtsbelehrung funktioniert nicht. Der Prozess hängt von sehr vielen emotionalen Faktoren ab, schließlich beschäftigt man sich mit seiner eigenen Endlichkeit“, weiß Schreiner. „Da sind wir Juristen auch Psychologen“, ergänzt Bohn.