Sanktionen, Zahlungsstopps, ungeklärte Vertragsverhältnisse: Der Krieg in der Ukraine wirft neben dem humanitären Aspekt auch diverse juristische Fragen auf, über die fünf Rechtsexperten beim ius-Round Table von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten im Pressehaus Stuttgart ausgiebig diskutierten. Von Bianca Menzel

ius-Round Table

Von links: SWM.N-Geschäftsführer Oliver Nothelfer, Heimo Fischer, Bernd Lienemann, Iris Rosenbauer, Dr. Marilen Hilbert, Dr. Christopher Vogl und Dr. Roland Kläger. Foto: LICHTGUT/Leif Piechowski

Mit dem militärischen Angriff von Russland auf die Ukraine haben die westlichen Staaten schnell mit wirtschaftlichen Sanktionen reagiert. Viele Unternehmen mit Standorten oder Tochtergesellschaften in Russland stellen sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß sie davon betroffen sind. Wie geht man nun also vor, will Moderator und Wirtschaftsjournalist Heimo Fischer von den fünf Rechtsexperten beim ius-Round Table von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten wissen.

„Hier gilt es erst einmal zu prüfen, bin ich als Person oder sind meine Geschäftspartner betroffen? Dann muss man sich die Frage stellen: Sind meine Produkte betroffen? Dazu gibt es ein komplexes Regelwerk“, sagt Rechtsanwältin Iris Rosenbauer von der Kanzlei Burger Rosenbauer Beier. In Deutschland geb es das sogenannte Transparenzregister, doch nicht alle Länder führen solch ein ausführliches Register. Herauszufinden, wer wirklich hinter einem Unternehmen steckt, stellt die Kanzleien vor große Herausforderungen.

Außerdem ergeben sich steuerrechtliche Fallstricke. „Es wurde ein Beratungsverbot gegen russische Unternehmen ausgesprochen. Das ist ein Problem, wenn wir beispielsweise eine deutsche Firma mit einem Tochterunternehmen in Russland beraten wollen“, erklärt Bernd Lienemann, Steuerberater bei RTS. Generell nehmen die Anwaltskanzleien große Unsicherheit und Nervosität seitens der großen und mittelständischen Unternehmen wahr. „Die Berührungspunkte ziehen sich durch alle Ebenen und Branchen“, betont Rechtsanwalt Dr. Roland Kläger von der Kanzlei Haver & Mailänder. Man könne nicht pauschal sagen, welche Firmen es am meisten betreffe.

Unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen Deutschland und Russland

Dazu käme die Problematik, dass das russische Recht ein anderes sei, als hierzulande. „Es existieren unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen Deutschland und Russland“, betont Dr. Christopher Vogl, Rechtsanwalt bei Kuhn Carl Norden Baum. Ein deutsches Gerichtsurteil werde nicht automatisch auch von russischer Seite akzeptiert. „Daraus ergibt sich ein Vollstreckungshindernis. Es gibt also keine direkte Rechtsdurchsetzung“, ergänzt Vogl.

Moderator Fischer leitet zum Arbeitsrecht über: Wie schnell lassen sich Geflüchtete aus der Ukraine bei hiesigen Unternehmen beschäftigen? „Mittlerweile ist kein Visum mehr nötig, um Geflüchtete zu beschäftigen. Eine Aufenthaltsbestätigung reicht aus“, sagt Dr. Marilen Hilbert von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. „Es gibt natürlich Berufe, die reglementiert sind. Wer beispielsweise als Lehrer oder Arzt in der Ukraine angestellt war, kann das hier nicht einfach fortführen. Man ist aber sehr bemüht, eine adäquate Beschäftigung für die Betroffenen zu finden“, ergänzt Dr. Roland Kläger.

Hoher Gesprächsbedarf ergibt sich unter den Rechtsexperten zudem beim Thema Reputation. Haben Unternehmen Angst davor, ihren guten Ruf zu verlieren, wenn sie sich nicht aus Russland zurückziehen? Im Gegenteil, wirft Christopher Vogl ein: „Unter unseren Mandanten befinden sich beispielsweise viele kleine Familienunternehmen. Die denken nicht daran, zu verkaufen und ihren Mitarbeitern im russischen Tochterunternehmen die Arbeitsplätze zu streichen. Da wird mit Zahlungen versucht, die Firma weiter liquide zu halten.“

ius-Round Table: Menschenrechte und Klimaschutz

Wer eine persönliche Beziehung zu seinen Mitarbeitern habe, denke da anders. Grundsätzlich hänge die Entscheidung, das Unternehmen zu verkaufen, jedoch von unterschiedlichen Faktoren ab, beispielsweise von der Größe des Unternehmens, vom Geschäftsmodell oder der Unternehmenswerte. Generell lässt sich aber ein zunehmender Trend in Hinblick auf Aspekte wie Moral und Umwelt verzeichnen. „Faktoren wie Menschenrechte und Klimaschutz spielen eine immer größere Rolle für die Unternehmen“, sagt Hilbert.

Müssen Unternehmer also in Zukunft mehr Zeit für eine geopolitische Beratung investieren, will Heimo Fischer am Ende des Round Tables wissen. „Natürlich ist eine Strategieberatung immer wichtig und man muss sich fragen, ob in einem Land langfristig Gewinn gemacht werden kann. Aber die Sensibilität für moralische und nachhaltige Aspekte steigt und steht mehr und mehr im Vordergrund. Dafür sollte man gewappnet sein“, sind sich alle Experten einig.

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